XR-Partizipationsräume für Urbane Transformationsprozesse
BMBF-Verbundforschungsprojekt XR-Part startet Erprobungsphasen in Mannheim und Rostock
XR-Part steht für Extended Reality (XR)-Partizipationsräume zur erweiterten sozialen Teilhabe in urbanen Transformationsprozessen. Durch die Anwendung neuer Technologien soll die crossmediale Beteiligung erweitert werden und mehr Menschen bei Beteiligungsprozessen mitwirken können. Das transdisziplinäre Verbundforschungsprojekt entwickelt und verknüpft unterschiedliche Virtual- (VR) und Augmented Reality- (AR) Lösungen zu einer integrativen XR-Plattform, die partizipative Planungsverfahren unterstützen soll. In Rostock und Mannheim, Partnerstädte des Verbundforschungsprojektes,werden die einzelnen Komponenten der XR-Plattform anhand realer Beteiligungsprozesse ab Oktober 2022 erstmals erprobt. In Mannheim geht es um die Umgestaltung eines Quartiersplatzes, in Rostock um die Nachverdichtung eines Wohnquartiers. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Verbundforschungsprojekt XR-Part von 2021 bis 2024 mit einer Summe von rund 1,59 Mio. Euro im Rahmen des Forschungsprogramms „Technik zum Menschen bringen“ in dem Themenfeld „Beiträge für die Digitale Gesellschaft“.
XR-Technologien in der Bürgerbeteiligung können reale Umgebungen von städtischen Räumen durch virtuelle Darstellungen erweitern. Die Extended-Reality (XR)-Plattform, die verschiedene Technologien integriert, setzt sich aus zwei unterschiedlichen Komponenten zusammen:
(1) Der XR-Part Beteiligungsraum ist ein dreidimensionaler virtuell-immersiver Kommunikations- und Begegnungsraum für verschiedene digitale Beteiligungsformate. Er ermöglicht eine orts- und zeitunabhängige Nutzung und Teilnahme durch verschiedene Endgeräte (PC, Tablet, Smartphone, VR/XR-Brillen). Beteiligte treffen sich als Avatare und können so interaktiv zu Themen des Planungsvorhabens arbeiten. Der XR-Beteiligungsraum bietet u.a. ein begehbares und annotierbares 3D-Modell des Planungsgegenstands.
(2) Die XR-Part Beteiligungstour ist eine Augmented Reality-Anwendung, in der die Realität durch virtuelle Darstellungen erweitert wird. Die Beteiligungstour findet zeitunabhängig im Planungsgebiet statt. Ein Tablet oder ein Smartphone - und in der Zukunft eine unscheinbare Datenbrille - dienen den Beteiligten als Fenster, durch das sie die Realität vor Ort kombiniert mit virtuellen Darstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten können. Schwerpunkt der virtuellen Darstellungen sind dreidimensional und in Varianten aufbereitete Planungsinhalte.
Ziel ist es, in einem digital-physischen Beteiligungsraum verschiedene Beteiligungsformate zu integrieren. Damit sollen räumliche Planungen und Informationen zu urbanen Transformationsprozessen zeit- und ortsunabhängig für den breiten dialogischen Austausch und für die Mitgestaltung zugänglich. Dies soll bisherige raumzeitliche wie auch mediale Brüche sowie Barrieren im Beteiligungsprozess abbauen und durch erweiterte Interaktionsmöglichkeiten die Teilhabemöglichkeiten erweitern.
Was heute noch nach Zukunft klingt, kann bald Alltag sein. Ein großer Vorteil der neuen Beteiligungsformate ist, dass sie die Vorstellungskraft der Bürger:innen von den räumlichen Planungssituationen erweitern und sowohl zu Hause und unterwegs als auch vor-Ort genutzt werden können. „Es geht deshalb nicht nur um das ‚ob´ der Technologienutzung, sondern insbesondere auch um das ‚wie´ des Technologieeinsatzes. Denn wir wollen etablierte demokratische Beteiligungsprozesse für räumliche Planungsprojekte weiterentwickeln, und dies sowohl für die breite Bevölkerung als auch für Menschen, die wie beispielsweise Eltern, auch Alleinerziehende, oder Jugendliche bisher oftmals zu wenig erreicht werden,“ so Forschungsverbund- und Projektleiterin Professorin Heidi Sinning vom ISP – Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der FH Erfurt.
Christian Hübel, Fachbereichsleiter Demokratie und Strategie der Modellstadt Mannheim ergänzt aus seinen bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Online-Beteiligungsplattformen: „Wir verwenden bereits mehrere und verschiedene mediale Kanäle zur Kommunikation mit den Bürger:innen und die Formate werden gut angenommen. Allerdings fehlt uns das Know-how, Bürger:innen technisch einfache Möglichkeiten zur Beteiligung in Planungsverfahren zu geben. Das ist in klassischen Verfahren – beispielsweise Offenlage von Bebauungsplänen – nicht gegeben. XR-Part bietet eine Riesenchance, das Know-how und die aktive Beteiligung der Bürger:innen einzubinden.“
Ralph Maronde, Abteilungsleiter im Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft der Modellstadt Rostock schließt sich den Einschätzungen an: „Wir wollen mehr und weitere Menschen, die teilweise von der Teilhabe ausgeschlossen sind, erreichen. Diejenigen, die sich Planung im Raum bislang nicht gut vorstellen können, können wir zudem über die dreidimensionalen virtuellen Erlebnis- und Begegnungsräume zum Mitwirken motivieren und ihre Erlebniswelt stärker aufgreifen.“
Hintergrund
In dem Forschungsprojekt XR-Part arbeitet ein inter- und transdisziplinäres Verbundteam mit Partner:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kommunen zusammen. Neben dem ISP – Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der Fachhochschule Erfurt als Verbundkoordination sind von Seiten der FH Erfurt die Fachrichtungen Angewandte Informatik sowie Architektur vertreten. Verbundpartner:innen aus der Wirtschaft sind Zebralog GmbH, Berlin, TriCAT GmbH, Ulm, und Inpixon GmbH. Modellstädte sind Mannheim und Rostock, Tandemstädte Bonn und Köln.
Das Forschungsvorhaben wird eng an die Erfordernisse kommunaler Planungsprozesse angebunden und auf die Qualitätsanforderungen städtischer Bürgerbeteiligung, sozialer Nachhaltigkeit sowie hinsichtlich ethischer, rechtlicher und sozialer Anforderungen im Kontext der Mensch-Technik-Interaktion (kurz: ELSI-Kriterien) überprüft. Neben den Modellstädten sollen auch weitere interessierte Städte die innovativen XR-Part-Lösungsansätze nutzen können.
Kontakt:
Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation (ISP) der Fachhochschule Erfurt (Verbundkoordination und Projektleitung)
Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning
E-Mail: sinning@fh-erfurt.de
Tel. 0173 / 260 9051
https://isp.fh-erfurt.de