Schokoladenfabrik Greußen
In Greußen, nur eine halbe Stunde nördlich von Erfurt und mit dem Zug gut erreichbar, soll die direkt am Bahnhof stehende alte Schokoladenfabrik aus dem Jahr 1872 abgerissen werden. Am Donnerstag, 13.01.22 übergab Wolfgang Tiefensee, Thüringer Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft dem Bürgermeister Torsten Abicht einen Scheck über fast 2,4 Millionen Euro aus den GRW-Fördermitteln zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, d.h. zur Finanzierung des Abrisses.
13 Studierende des Master-Projektstudios Entwerfen und Bauen im Bestand entwickeln derzeit Nutzungskonzepte und Entwürfe für eine Nachnutzung des städtebaulich und architektonisch hochwertigen Gebäudeensembles mit ca. 9.000 m2 Nutzfläche, für welches sie an diesem verkehrsgünstig gelegenen Standort und in Zeiten, in denen das Leben in der Region außerhalb urbaner Ballungsräume wieder an Wertschätzung gewinnt durchaus eine Zukunft sehen. In der vergangenen Workshopwoche brachten sie ihre Haltung auf den Punkt: Zur Übergabe der Fördermittel präsentierten sie in Greußen ein 15 m langes Banner mit Aussagen zum Wert des Bestandes im Allgemeinen, der gesellschaftlichen und ökologischen Relevanz einer dringend notwendigen Bauwende und Auszügen aus den bisherigen Entwürfen für die Schokoladenfabrik und formulierten damit ihre Kritik an dem drohenden Abriss.
Bekräftigt wurde diese Kritik von den anwesenden Mitgliedern der Organisation Architects for Future. Auch der BDA Thüringen reagierte und verfasste einen Offenen Brief. Ob die Schokoladenfabrik in Greußen noch zu retten ist, bleibt fraglich. Aber es wurde ein Zeichen gesetzt gegen die immer noch weit verbreitete Abriss-Mentalität, die herausragende Zeugnisse der Industriebaukultur immer noch unter dem Label „Schandfleck“ führt, anstatt das identitätsstiftende Potenzial zu heben und einen Wiederaufbau zu befördern.
Fotos: Jana Groß, Peter Georgi, Stephanie Kaindl