Energiegerechtigkeit
Studierende der Stadt- und Raumplanung waren vom 06. - 12.03.2023 in Cluj-Napoca in Rumänien, der zweit größten und am schnellsten wachsenden Stadt des Landes. Thema der Winterschule war Energiegerechtigkeit, also die Frage nach einem fairen und sozialen System von Energieversorgung, Zugang zu energieeffizienten Wohngebäuden oder auch einer fairen Energiewende. Die trinationale Winterschool wurde von Politikwissenschaftler:innen der Babes Bolyaj Universität ausgerichtet, dazu kamen Studierende der Umweltwissenschaften der Universität Nizza, Doktorandinnen der Energiewirtschaft von der Universität Stuttgart. Die FH Erfurt wurde von Prof. Katrin Großmann vertreten.
Die Studierenden lernten auf einer geführten Exkursion durch die Stadt kennen, dass energetische Sanierung nicht nur an der Finanzierung oder Bereitschaft scheitern kann, sondern dass in Mehrfamilienhäusern in enger Nachbarschaft einkommensarme und wohlhabendere Haushalte wohnen, von denen manche ihre Wohnungen in Eigenregie isolieren können, andere nicht (siehe Foto).
Bei einem Ausflug in die ehemaligen Zentren des Kohlebergbaus und der Stahlindustrie in den Karpaten erfuhren die Studierenden von lokalen Expert:innen, wie langsam die Mühlen der Bürokratie für eine Revitalisierung und Umstrukturierung mahlen - aber auch wie die engagierte Zivilgesellschaft sich für den Erhalt der Strukturen und die Erinnerung an die guten und schwierigen Seiten des Bergbaus einsetzt. Es wurde auch das ehemalige Zentrum rumänischer Stahlproduktion besucht. Ähnlich der Situation im Ruhrgebiet und dem mitteldeutschen Braunkohlerevier wird hier an Entwürfen für einen zukunftsfähigen Strukturwandel gearbeitet, auch hier mit Mitteln aus dem Just Transition Fonds der EU. Und selbst die Kritik der Bevölkerung an einem nicht immer transparenten Einsatz der Gelder ähnelt sich.
In intensiven Diskussionen erkannten die Studierenden, dass trotz wirtschaftlicher, geographischer und demographischer Unterschiede der Länder, ähnliche Herausforderungen für eine sozial verträgliche Energiewende bestehen – und auch in allen drei Ländern Lösungen ähnlich sein können. So waren Kernpunkte mehr Rechtssicherheit für Verbraucher zu schaffen und ihnen einfacheren Zugang zu Informationen über ihren Verbrauch zu bieten, steuerliche Anreize zu schaffen sowie eine engere Betreuung verwundbarer Haushalte bei Energiefragen zu ermöglichen. Gleichzeitig war auffällig wie verschieden die Perspektiven auf das Thema waren, während die Erfurter Stadtplaner:innen vor allem soziale Aspekte im Sinn hatten, ging es den Energiewende-Wissenschaftler:innen aus Nizza eher um die Betriebswirtschaftlichkeit für die Versorger und den rumänischen Gastgebern oft um die politische oder verwaltungsseitige Umsetzung. Der internationale Austausch und die Expertise von themenverwandten Disziplinen haben verdeutlicht, dass alle Länder in Europa und darüber hinaus an einem Strang ziehen müssen, um den strukturellen Veränderungen im Bereich Energiegewinnung und Energiegerechtigkeit der letzten Jahre und auch den zukünftigen Herausforderungen entgegentreten zu können. Die Überlegungen legten die Studierenden in einem Visionspapier nieder.
Die Winterschool wurde gefördert durch: OFAJ/DFJW (Deutsch-Französisches Jugendwerk)